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Cuba: Gesellschaft

Cuba ist kein karibisch-sozialistisches Paradies und die Cubaner sind weder geborene Überlebenskünstler noch feurige Salsa-Tänzer.

Alltag

Die Cubaner sind sind zum weit überwiegenden Teil freundliche und hilfsbereite, meist gut gebildete und trotz ihrer nicht immer einfachen Situation lebensfrohe Menschen.
Allerdings macht es die Einkommenssituation und die Spaltung der Gesellschaft in CUP und CUC für den Touristen schwierig, tatsächliche Freundlichkeit von geschäftsmäßiger zu unterscheiden: will sich der Cubaner im Lokal wirklich nur aus Interesse mit mir unterhalten - oder will er mir etwas verkaufen (meistens Zigarren)?

Pesos cubanos (CUP) - Pesos convertibles (CUC)

Im Zusammenhang mit der Währungsunion in Kuba werden ab Oktober 2020 die Bankkonten in CUC auf Pesos (CUP) mit einem Wechselkurs von 1 zu 24 umgestellt.

Currency data courtesy coinmill.com

Fast alle verdienen ihr Geld in Moneda nacional, pro Monat durchschnittlich 350 Pesos cubanos (CUP) - also knapp 15 Pesos convertibles (CUC) oder umgerechnet etwa 12 Euro. Damit kann man noch nicht einmal kleine Sprünge machen. Dies umso weniger, als die sogenannten „Luxusgüter”, unter die auch viele elementare Produkte und Dienstleistungen fallen, nur für CUC zu haben sind.

3 CUP
3-CUP-Banknote, Vorderseite mit dem Bild von Che Guevarra
3 CUC
3-CUC-Banknote, Vorderseite mit dem Denkmal von Che Guevarra, Santa Clara

Erst wenn man sich diesen Betrag vergegenwärtigt, kann man wohl verstehen, warum die Jobs in Devisen-Hotels oder in der Tourismusbranche ganz allgemein so begehrt sind. Mit etwas Charme und Fortune erhält diese Summe ein Barkeeper in Varadero pro Tag an Trinkgeldern. Wer nicht das Glück hat, Ausländern ihre schönsten Wochen des Jahres versüßen zu dürfen, muss daher nicht selten zwei Beschäftigungen nachgehen, um das Überleben seiner Familie zu sichern. Ärzte, die sich nach ihrem Dienst in den Krankenhäusern hinter das Steuer eines Taxis setzen, Fabrikarbeiter, die sich abends als Jineteros verdingen und unwissenden Touristen minderwertige Zigarren andrehen, junge Mädchen, die als Jineteras - das weibliche Pendant - ihren Körper verkaufen, sind eher die Regel als die Ausnahme.
Die Spaltung der Gesellschaft in CUC-Verdiener und die normalen Bürger kam mit der Öffnung Cubas für den Tourismus und ausländische Unternehmen und erweist sich zunehmend als problematisch. Lehrermangel auf der einen Seite, weil viele von ihnen als Barkeeper oder Kofferträger in den CUC-Regionen arbeiten. Bettelei auf der anderen Seite, damit auch die Ausgeschlossenen zu ein paar CUC kommen. Der Um- und Rücktausch von Fremdwährung in CUC oder CUP ist völlig problemlos, auch für Cubaner, und kann in jeder Wechselstube oder Bank erfolgen.

Libreta

Libreta-Laden
Warenangebot in einem „Libreta”-Geschäft, Santa Clara

Kurz nach Inkrafttreten des US-Embargos, im März 1962, wurde die sogenannte Libreta (wörtlich: „Notizbuch”) eingeführt, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Sie ist bis heute gebräuchlich. Ähnlich den Bezugsscheinen, die während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich ausgegeben wurden, erhält jeder Cubaner bzw. jede Familie gegen Vorlage der „Libreta” eine Reihe subventionierter Grundnahrungsmittel und Hygieneprodukte: pro Monat 2 kg Reis, ½ Liter Speiseöl und 20 Gramm Bohnen, pro Familie außerdem ein Paket Salz, eine Tube Zahnpasta und eine Seife. Nach offizieller Lesart soll damit der Bedarf für einen Monat abgedeckt werden. Aber selbst bei allergrößter Sparsamkeit ist die „Libreta”-Ration nach längstens zwei Wochen aufgebraucht.
Dennoch: Laut dem Human Development Index HDI, der alljährlich vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlicht wird und der - anders als der Ländervergleich der Weltbank - nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern auch Lebenserwartung und Alphabetisierungsrate berücksichtigt, lag Cuba im Jahr 2009 im Feld der hoch entwickelten Länder auf Platz 51, deutlich vor Russland (Platz 71), Brasilien (Platz 75) oder China (Platz 92) - Deutschland, Österreich und die Schweiz nehmen übrigens die Ränge 22, 14 und 9 ein. Darüber hinaus wurde Cuba vom UN-Welternährungsprogramm bestätigt, das einzige Land Lateinamerikas und der Karibik ohne unterernährte Kinder zu sein.
In Cuba gibt es auch praktisch keine Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht. Mit der Revolution wurden alle Menschen offiziell gleich gestellt. Das funktioniert im Wesentlichen, wenn auch Schwarze noch immer mehrheitlich der ärmeren Bevölkerungsschicht angehören.

Exkurs: „Quince” - ein Mädchen wird 15

Guantánamo, Hotel Guantánamo, März 2009
Ein Mädchen wird 15
Foto © bilderreisen.at (cc)

Cubanische Mädchen sind zwar nicht früher reif als ihre Geschlechtsgenossinnen in anderen Ländern der Erde, offiziell werden sie allerdings bereits an ihrem 15. Geburts­tag in die Gesellschaft einge­führt und gelten damit als erwachsen. Entsprechend groß wird der Tag begangen, selbst ärmere Familien sparen jahre­lang, um ihrer Tochter ein besonderes Fest zu ermög­lichen - zu Preisen von etwa 3000 CUP (ca. 125 CUC) aufwärts.
Während Mädchen bis zu ihrem „Quince” nicht alleine ausgehen, nicht öffentlich rauchen, keine Kurzhaarfrisur tragen, sich nicht schminken und keine sexuellen Kontakte haben (sollen), brechen mit dem 15. Geburtstag die meisten Dämme. Friseure werden bemüht, Nagelstylisten aufgesucht, in Modegeschäften lange Kleider gekauft oder geliehen und - der Erinnerung wegen - Fotografen und Videofilmer engagiert. Besonders betuchte Familien mieten vielleicht noch ein Oldtimer-Cabrio, in dem die wie eine junge Braut herausgeputzte Tochter von der Wohnung zum Hotel oder Restaurant chauffiert wird, wo das Fest im Kreise der Verwandten und Freunde steigt. Wenn alle artig ihre Geschenke - vorwiegend Geld und Schmuck - übergeben haben, wird schließlich der Tanz eröffnet, der an diesem Tag ebenfalls einem eigenen Ritus folgt. Denn ehe die Hauptperson am Arm von Vater oder Onkel das Parkett betritt, warten dort bereits 14 andere Paare, um das Geburtstagskind mit seinem Partner in ihre Mitte zu nehmen. Schon tags darauf gehen die meisten 15-Jährigen übrigens erneut zum Friseur - diesmal, um sich die Haare abschneiden zu lassen und damit jedermann allein durch ihr Äußeres zu signalisieren: „Ya tengo quince - Ich bin schon 15.”
Weil die Mädchen mit dem Tag ihres „Erwachsenwerdens” durch Schönheit glänzen, hat sich in Cuba eine Redensart eingebürgert, die auf junge wie ältere Frauen gemünzt ist, die mit weniger Attraktivität gesegnet sind. Über sie sagt man: „Nunca tuvo quince.” Wörtlich: „Sie war niemals 15”. Soll heißen: „Sie war noch nie hübsch.”

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