(La consagración de la primavera., 1978)
682 S. S., ISBN: 3-518-40527-6
Frankfurt: Suhrkamp, 1993
Bewertung
Rezension
Zwei Menschen begegnen einander zufällig in einer spanischen Stadt am Rand des Bürgerkriegs, die kaum unterschiedlicher sein könnten: die russische Tänzerin Vera, die mit ihren Eltern vor der Revolution nach London geflohen ist und in Paris ihre Ausbildung zur Ballett-Tänzerin fortsetzt. An Politik, ja eigentlich am Weltgeschehen völlig unteressiert, will sie ihren Freund in einem Genesungsheim besuchen. Der ist Mitglied der internationalen Brigaden und wurde in einer Schlacht verwundet.
Und Enrique, kubanischer Student der Architektur, Angehöriger einer Oberschichtfamilie in Havanna, der wegen Unterstützung des Widerstandes gegen den Diktator Machado Cuba verlassen mußte. Er war zunächst in Mexiko, ging dann nach Paris und verliebte sich in die deutsche Jüdin Anna. Aber er verliert sie, als sie nach Deutschland zurückkehrt, um ihre Eltern zu suchen, wo sie selbst verschwindet. Erst dieses Erlebnis bringt Enrique dazu, sich ernsthaft politisch zu engagieren und in die Internationalen Brigaden einzutreten.
Enrique, selbst verwundet, begleitet Vera zu ihrem Freund Jean-Claude. Sie haben ein paar schöne Tage miteinander, aber dann müssen Enrique und Jean-Claude zurück in den Kampf, den er nicht überleben wird. Vera kehrt nach Paris zurück. Nach der endgültigen Niederlage der Republikaner gegen die Franco-Truppen kann sich Enrique nach Paris durchschlagen, wo er wieder auf Vera trifft.
Die Beiden ziehen zusammen, müssen aber vor dem heranrückenden Nazideutschland fliehen und gehen nach Cuba. Enrique beendet sein Architekturstudium und eröffnet ein Architekturbüro. Er ist in der kubanischen Oberschicht sehr erfolgreich, kann aber seine Vorstellungen über das Bauen nicht umsetzen. Vera gründet eine Ballettschule und hat Erfolg darin, den Oberschichtmädchen klassisches Ballett beizubringen. Fasziniert von der Urpsünglichkeit des Tanzens der einfachen Schichten gründet sie eine zweite Schule, in der die überwiegend schwarzen Tänzerinnen und Tänzer eine klassische Ausbildung erhalten.
Veras Traum ist, mit dieser Truppe Strawinskys "Sacre du Printemps" aufzuführen - unmöglich im Cuba der 1950er-Jahre. Aber sie knüpft Beziehungen zu einer Freundin in Paris, deren Gatte bereit ist, die Aufführungen zu finanzieren.
Aber das Projekt kann nicht umgesetzt werden, denn in Cuba hat der Befreiungskampf Fidel Castros gegen das Regime Batista begonnen. Da sich unter Veras Tänzern einige Sympathisanten Castros befinden, wird die Schule von den Polizeikräften zerstört, einige Mitglieder können fliehen, andere werden ermordet. Durch dieses Ereignis wird Vera politisiert, beginnt sich für den Befreiungskampf zu interessieren, muß sich aber in den äußersten Osten Cubas, nach Baracoa, zurückziehen.
Auch Enrique sympathisiert mit Castro und unterstützt die Rebellen, so daß er schließlich selbst ins Visier der Polizei gerät. Aber er schließt sich nicht den Rebellen an, sondern flüchtet ins Ausland, nach Venezuela. Die Verbindung zu Vera reißt ab. Enrique kehrt nach dem Sieg der Revolution nach Cuba zurück. Und mit der Invasion in der Schweinebucht kann auch er endlich aktiv am cubanischen Befreiungskampf teilnehmen.
Fazit: Alejo Carpentier legt hier ein monumentales Werk vor, einen Parforceritt durch den europäischen Bildungskanon und die europäische Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche bekannte Künstler aus dem Paris der 1930er-Jahre werden genannt, die Entwicklungen in Malerei, Literatur, Musik kenntnisreich vorgestellt und diskutiert. Der spanische Bürgerkrieg und sein Scheitern werden analysiert: die von Moskau verstärkte Fraktionierung der linken Kräfte, die einander teilweise bekämpft haben, und die Einstellung der sowjetischen Unterstützuzng durch Stalin haben seiner Meinung nach den größten Anteil an der Niederlage der republikanischen Kräfte.
Sehr geschickt läßt er die Geschichte sowohl von Vera wie von Enrique erzählen und schafft damit völlig unterschiedliche Perspektiven. Nur gegen Ende ist Carpentier zu sehr von seiner Begeisterung für die Revolution überwältigt und verläßt die Position des Beobachters.
In Baracoa steht das "Hotel La Rusa", das der russischen Prinzessin Magdalena Rowenskaja gehörte. Ihr setzt Carpentier mit diesem Werk ein Denkmal.
Und nun ... denke ich über den geheimnisvollen Mechanismus nach, der die unterschiedlichsten, konvergierenden, parallel oder entgegengesetzt verlaufenden Schicksale so grandios verwebt, daß sie durch Ereignisse, die dem Willen des einzelnen völlig entzogen sind, am Ende plötzlich zusammenlaufen. Ich, Bürgerin und Enkelin von Bürgern, war beharrlich geflohen vor allem, was eine Revolution war, um schließlich im Schoß einer Revolution zu leben. Enrique, Bürger und Enkel von Bürgern, war aus seiner bürgerlichen Welt geflohen, um etwas anderes zu suchen, und das war letztlich die Revolution gewesen, die uns nun wieder vereinte. ... Heute geschieht, was ich nie für möglich gehalten hätte: ich finde meine Stabilität innerhalb dessen, was auf Spanisch, Französisch, Englisch in einem Wort mit zehn Buchstaben ausgedrückt wird und für mich so viele Jahre lang gleichbedeutend mit einem Höllenkessel war. Ich habe den Eindruck, daß die gegenwärtige Stunde weiter und heller wird, weil sie eine neue Zeit anbietet, in der ich künftig vielleicht - endlich! - die sein werde, die ich nie gewesen bin.