144 Seiten, ISBN: 978-3-7374-0732-8
Hamburg: Corso, 2016
Bewertung
Rezension
Die Zukunft Cubas.
Es sah schon so aus, als würden sich die Erzfeinde annähern, die Blockade aufgehoben werden. Barack Obama, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, bereitete den Boden auf - aber nun ist er selbst Geschichte, und nicht mehr die Zukunft. Donald Trump hingegen treibt Cuba wieder in die Isolation und will einen Regimewechsel erzwingen.
Jens Glüsing ist Lateinamerika-Korrespondent des SPIEGEL, und er hat zahlreiche Reisen nach Cuba unternommen. Natürlich kann auch er nicht in die Zukunft blicken, aber seine langjährige Erfahrung mit dem Land ermöglicht ihm fundiertere Einblicke. Er glaubt, daß die Öffnung des Landes und der Wirtschaft weder aufzuhalten noch gar rückgängig zu machen sei, aber es ist eine Öffnung in winzigen Schritten, angeschoben vor allem von Raúl Castro, seitdem er die Ämter seines Bruders übernommen hat. Den Tod Fidel Castros, nur wenige Monate nach Erscheinen des Buches, konnte Glüsing natürlich nicht berücksichtigen. Aber seit 2008 ist Fidel praktisch von der politischen Bühne verschwunden, hat er keine praktische Macht mehr.
Glüsing hat mit vielen Menschen auf seinen Reisen in Cuba gesprochen, mit Befürwortern einer freien Wirtschaft und mit Skeptikern. Eine Veränderung des politischen Systems - etwa hin zu einem Mehrparteiensystem mit freien Wahlen - steht nicht an prominenter Stelle auf dem Wunschzettel der Cubaner. Sie wissen um die Vorteile ihrer Gesundheitsversorgung und ihres Bildungssystems, beides herausragend für Lateinamerika. Ein dringendes Anliegen ist ihnen die Beseitigung der rasant wachsenden Ungleichheit, die tiefe Kluft zwischen CUC-Inhabern und denen, die in lokaler Währung bezahlt werden. Für erstere bekommt man alles - für letztere praktisch nichts.
Der interessant zu lesende Text wird von Bildern des Fotografen Michael Pasdzior begleitet, die eine spannende Sicht auf Cuba zeigen und weitgehend klischeefrei sind. Der Druck auf Normalpapier ist qualitativ noch vertretbar. Leider fehlen jegliche Bildunterschriften. Wo und wann die Aufnahmen entstanden sind, bleibt offen.
Fazit: Glüsing und Pasdzior legen hier eine interessante und gelungene Kombination aus Text und Bild vor, die auch durch ihre Aktualität einen tieferen Einblick in die cubanischen Verhältnisse und die mögliche Zukunft des Landes ermöglicht.
Es gibt keine organisierte Opposition in Kuba, die Dissidenten sind in dutzende kleine Gruppen und Individuen zersplittert. Viele sind im Ausland weitaus bekannter als in ihrer Heimat. Die Bloggerin Yoani Sánchez etwa wird außerhalb Kubas mehr gelesen als im eigenen Land — was natürlich auch daran liegt, dass die meisten Kubaner wenig oder überhaupt keinen Zugang zum Internet haben. Die meisten Kuba-Experten sind sich inzwischen einig, dass politische Reformen — wenn sie überhaupt geschehen — aus dem System heraus erfolgen werden, nicht auf Druck der Dissidenten.
Dass sie kontinuierlich an Einfluss verlieren, haben sich die Regimekritiker aber auch selbst zuzuschreiben: Sie sind untereinander zerstritten. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Regierung in Havanna und den USA hat sie vor ein ideologisches Dilemma gestellt: Sollen sie die Annäherung unterstützen oder kritisieren?